Es gibt eine ganze Reihe von Untersuchungen über die sogenannte Arisierung jüdischen Vermögens. Explizit befasst sich etwa Wolfgang Mönninghoff in Enteignung der Juden (2001) mit der Thematik. Akribisch verfolgt er die Geschichte der Enteignung nach, vom April-Boykott bis zur Nachkriegszeit, so etwa im letzten Kapitel mit dem Titel: Der Führer ging – die Nazis bleiben.
Eine umfangreiche Bibliografie listet andere wissenschaftliche Titel auf. Der vorliegende (Margarete Feldmann gewidmete) historische Roman über den Konfektionär Ehrenfried und seinen Kompagnon Cohn zeigt, wie ein jüdischer Unternehmer diese Entwicklung am eigenen Leib erfährt.
Kurt Ehrenfrieds Vater kommt aus Posen nach Berlin und beginnt mit einem bescheidenen Geschäft, sein Sohn will allerdings höher hinaus. Zusammen mit seinem Kompagnon Cohn betreibt er in der Mohrenstrasse 24 am Hausvogteiplatz in Berlin, dem Zentrum jüdischer Konfektionäre, ein überaus erfolgreiches Konfektionsgeschäft: Er produziert rund 20.000 Kleidungsstücke im Monat, die in alle Welt exportiert werden. Doch ab April 1933 wird Stimmung gegen Juden gemacht. Die Zeitungen hetzen: Deutsche Mode ohne Juden! Ehrenfrieds Zwischenmeister, unentbehrlich für die Produktion, erpressen ihn, sodass er ihnen eine Gewinnbeteiligung versprechen muss. Nur der dritte Zwischenmeister, ein frommer Jude namens Landauer, verlässt lieber rechtzeitig Berlin und emigriert nach England. Für Ehrenfried kommt das – vorläufig – nicht in Frage. Er bewohnt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern ein Haus mit sieben Zimmern in der Bleibtreustrasse, man hat sich eingerichtet. Kurts Vater ist noch ganz der fromme Jude aus dem Schtetl, davon will er selbst, der, wenn überhaupt, nur an hohen Feiertagen in die Reformsynagoge geht, nichts wissen. Dann geht alles sehr schnell. Nach einer misslungenen Modenschau in Paris wandert der homosexuelle Cohn direkt nach Palästina aus. Ehrenfried kehrt allein nach Berlin zurück und unterzeichnet gezwungenermassen einen Verkaufsvertrag, der ihm immerhin noch 40 Prozent des eigentlichen Vermögenswertes einbringt. 1936 trifft er in England ein, wird aber kurz darauf als feindlicher Ausländer interniert. Seine Familie lebt unterdessen von 25 Prozent des Vermögenswertes, die ihm statt der zugesicherten 40 überwiesen worden sind. Als Ehrenfried nach 1945 in Berlin eintrifft, um seinen Besitz zurückzufordern, speist ihn Bartlet, der das Unternehmen übernommen hat, mit gerade einmal 9.000 Mark ab, aus reiner Kulanz, wie ihm bedeutet wird. Das Unternehmen am Hausvogteiplatz liegt unzugänglich im Berliner Osten.
Ein trauriges, überzeugendes Zeitdokument: Westphal streut immer wieder Daten und wichtige Ereignisse in die Erzählung ein, so dass der Roman ein authentisches Bild jener Zeit von 1933 bis 1945 geben kann.
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