Am Samstagabend stellte die Soziologin Karin Weimann in der Buchhandlung
Leporello in Berlin ihr Buch
Sisyphos‘ Erbe. Von der Möglichkeit schulischen Gedenkens vor, das jetzt
im
Lichtig Verlag erschienen ist.
Heinz J. Ostermann begrüßte in seiner Kiezbuchhandlung im Stadtteil Rudow
rund 70 Gäste, die mehr darüber erfahren wollten, wie in Schulen mit Gedenktagen
umgegangen werden kann. Karin Weimann hat über drei Jahrzehnte Erzieherinnen und
Erzieher ausgebildet. Ihr Buch beruht auf ihren Erfahrungen bei der Gestaltung
des Gedenktages 27. Januar, der seit sechzehn Jahren an der Ruth-Cohn-Schule in
Berlin begangen wird. Der 27. Januar 1945 war der Tag der Befreiung des
Vernichtungslagers Auschwitz und wurde 1996 vom damaligen Bundespräsidenten
Roman Herzog zum nationalen Gedenktag erklärt.
Der Tag stehe stellvertretend für all das Leid, das den Juden, Sinti und Roma
und anderen Minderheiten angetan worden sei, betonte Lichtig Verlegerin
Nea Weissberg. Die Autorin stelle die Frage, wie wir mit dem drückenden
politischen und moralischen Erbe umgehen und überlege, wie man das Gedenken wach
halten kann.
Sisyphos‘ Erbe sei ein notwendiges Buch, das sich gegen die
"Schlussstrich-Mentalität" richte. „Es dient der Anregung, Wegbegleitung und
Orientierung und schließt eine gesellschaftspolitische Lücke.“
Für ihre Lesung entschied sich Karin Weimann für Auszüge aus dem Kapitel
(Ver)Weigerungen, dem sie ein Zitat von Christa Wolf vorangestellt hat: „Das
Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns
ab und stellen uns fremd.“
Das Kapitel zeigt Wege, um der weit verbreiteten Haltung „Ich kann das nicht
mehr hören!“ und „Ich lasse mir keine Schuldgefühle machen!“ entgegenzutreten.
Solche Sätze, die nicht nur bei Schülern, sondern auch am Stammtisch und in der
Mitte der Gesellschaft zu finden seien, beruhten vor allem auf Unkenntnis, so
Karin Weimann. „Wissen ist notwendig und die Voraussetzung für emotionale
Anbindung, für einfühlsame, solidarische Reaktionen.“
Und wer ist die Zielgruppe des Buches? Schulen, Institutionen, aber auch Eltern,
sagte die Verlegerin und
Szabine Adamek, die den Abend musikalisch begleitete und das Buch
lektoriert hat, bringt es so auf den Punkt: „Das Buch wendet sich an die
Fachöffentlichkeit schulischen Gedenkens, an die Schulen selbst, an uns.“ Dass
das Thema viel Diskussionsstoff bietet, zeigte sich im Anschluss an die Lesung.
Karin Weimann sprach noch lange mit den Gästen, darunter zahlreiche Lehrer, die
eigene Erfahrungen beisteuerten. Viele lobten das Engagement der Autorin. Sie
sei eine „Aufdeckerin“, die gründlich recherchiert hat, war zu hören.
Karin Weimann - Sisyphos’ Erbe.
Von der Möglichkeit schulischen Gedenkens.
Lichtig-Verlag, Berlin 2013
ISBN 978-3-929905-28-1
Preis: EUR 21,50 / 624 Seiten
vergriffen
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