Zwölf
Postkarten, äusserst geschmack- und liebevoll von Veronika Urban und Sharon
Adler gestaltet, zeigen Fotografien vor allem prächtiger, silberner
Ritualgegenstände des 19. Jahrhunderts bzw. eine herrlich-farbenfrohe florale
Illustration der Hand der Miriam. Das Verschicken von Privatbriefen ist heute
beinahe völlig aus der Mode gekommen, mailen und simsen sind da sehr viel
einfacher und auch schneller; meistens schickt man sich gegenseitig gerade noch
Grüße für die Feiertage und zum Geburtstag. Mit den herrlichen Postkarten des
Lichtig Verlags, wie sie gerade herausgekommen sind, entledigt man sich nicht
nur einer lästigen Aufgabe, sondern erfüllt eine Mitzva, eine religiöse Pflicht.
Denn die 12 Postkarten, die zu einem Set vereint sind, zeigen keine der heute
üblichen flotten Sprüche mit ebenso witzigen wie vergänglichen Karikaturen,
sondern führen zurück in die Vergangenheit. Am Anfang steht die „Hand der
Miriam“, die sich schützend vor die anschließend folgenden Schätze stellt. Den
Auftakt bilden 4 Ritualgegenstände, wie sie ausschließlich für den Schabbath
verwendet werden. Zwei silberne Pamotim, Kerzenleuchter, mit denen der höchste
jüdische Feiertag, der Schabbath, am Vorabend, also am Freitagabend begrüßt
wird, entzücken mit ihren fein ziselierten Füßen, aus denen der Stamm, durch
Einbuchtungen in vier bauchige Absätze unterteilt, in die Höhe wächst, um oben
Platz für die Kerzen zu bieten. Der Kiddusch-Becher , ein silberner Kelch auf
flachem Fuß, dessen kannelierter Stamm den Trinkkelch trägt. Zwei Weintrauben
künden vom Inhalt, und der hebräische Segensspruch darüber, Boré Pri ha-Gefen,
„der Du die Frucht des Weinstocks erschaffen“, vom Zweck des Kiddusch-Bechers.
Die Abbildung des Barchesdeckchen erinnert an den nächsten Schritt beim Ablauf
des Kiddusch, des Segens am Freitagabend. Sie deckt die beiden Barches oder
Challot, die geflochtenen Hefezöpfe zu, während der Segen über den Wein gesagt
wird. Lichwod Schabbath kodesch, „Für den heiligen Schabbath“ heißt es oben, und
unten unten: Lichwod Jom tow, „Für den heiligen Feiertag“. Die vierte Postkarte
zeigt die Gegenstände, die ein traditioneller Jude benötigt, um die Königin
Schabbath wieder zu verabschieden: ganz rechts wieder ein Kiddusch-Becher, denn
ohne einen Segen über den Wein geht im Judentum gar nichts; in der Mitte die
Bessamim-Büchse, ein silbernes Türmchen, bekrönt von einem Fähnchen und einem
Magen David, einem Davidstern. Ihr wohlriechender Duft begleitet die besondere
Schabbath-Seele, die jeder bekommt, der den Schabbath auf die traditionelle
Weise begeht, wieder zurück in den Himmel. Ganz links sehen wir wieder eine
brennende Kerze, diesmal ist sie geflochten und blau und weiß hat mindestens
zwei Dochte, damit die Flamme schön kräftig brennt. Nachdem wir unsere
Fingernägel darin gespiegelt haben, dürfen wir uns wieder den profanen Dingen,
sprich dem Spiel oder der Arbeit, zuwenden. Es folgen Postkarten zu zwei
Feiertagen. Den Auftakt bildet ein Büffet, auf dem sich Früchte und Blumen
drängen, in der Mitte ein hoher Spiegel, den zwei Menorot, siebenarmige
Leuchter, rahmen. Die nächste Postkarte zeigt etwas ganz Seltenes: eine silberne
Schale für den Seder, der am Vorabend von Pessach das achttägige Fest einleitet.
Der 21,5 x 14 Zentimeter große Teller trägt in seiner Mitte die hebräische
Inschrift „Pessach“, damit kein Irrtum hinsichtlich seiner Verwendung aufkommt.
Getragen wird sie von zwei naturalistisch gestalteten Löwen, die als Wächter des
jüdischen Volkes gelten und gleichzeitig an den Stamm Juda erinnern. Am Rand
stehen, auf Hebräisch, die Namen der fünf traditionellen Speisen, die zu Beginn
der Festmehlzeit gegessen werden, von links nach rechts entgegen dem
Uhrzeigersinn gelesen bedeuten sie: Sro’a, „Knochen“, Maror, „Bitterkräuter“,
Bejza, (hartgekochtes) „Ei“, Charosset, „Zement“ und Karpass, „Erdfrucht“.
Diesen wunderschönen Seder-Teller fand die Herausgeberin der Postkartenserie
nach eigener Aussage in einem Trödelladen an der Ostsee. Man kann sie zu ihrem
Fund nur beglückwünschen. Die nächsten beiden Postkarten sind dem Chanukka-Fest
gewidmet und zeigen die beiden möglichen Lampen für das Fest. Die ältere Form
ist die Chanukka-Lampe vom Banktypus, hier ein besonders gelungenes Exemplar der
Gattung. Acht kleine Ölbehälter stehen aufgereiht auf der Bank, die Rückwand ist
eine ausladende Affäre. Zwei auf den Hinterbeinen stehende Löwen, auch sie
realistisch mit runden Löwenköpfen, Mähnen und geschwungenem Schweif
dargestellt, halten eine Menora, eine siebenarmigen Leuchter. Oben dann ein
Kännchen für das Öl, mit dem die Lämpchen unten nacheinander angezündet werden
können. Zwei Pfauen, als Sinnbild für das Paradies, bilden den krönenden
Abschluss oben, dazwischen die Krone, gemeint sein dürfte die Krone der Thora,
der Lehre. Schlichter kommt dagegen der achtarmige Chanukka-Leuchter daher; er
ist für Kerzen bestimmt. Ein vorgelagerter neunter Halter ist für eine neunte
Kerze gedacht, mit der die anderen acht Kerzen nacheinander angezündet werden.
Ein Magen David, ein Davidstern, füllt den Raum zwischen den vier Kerzen rechts
und links. Eine elegante Chanukkija mit kunstvoll verschlungenen Armen und
Ästen. Die Postkartenserie schließen drei Gemälde von ebenso vielen Rabbinern
ab, der eine so religiös wie der nächste, alle drei mit einem langen weißen
Bart, gehüllt in einen großen weißen Tallith mit schwarzen Streifen; zwei tragen
eine Kippa, ein Käppchen auf dem Kopf, der dritte einen Strejmel, und zwei
halten einen Siddur, ein Gebetbuch für den Schabbath und die Wochentage, in der
Hand, der eine einen aufgeschlagenen, der zweite hat seinen wohl gerade
geschlossen und wiederholt mit ebenso geschlossenen Augen ein Gebet. Der dritte
Rabbiner, der mit dem Strejmel, blickt in die ungewisse Zukunft. Eine wunderbare
Serie von Postkarten über Jüdisches und mit Jüdischem, wie sie so qualitätvoll
auf Deutsch bisher nicht anzutreffen war. Mögen diese Postkarten viel unterwegs
sein und von vergangenem, aber auch von zukünftigem jüdischem Leben künden! .
Herausgegeben von Nea Weissberg
Lichtig-Verlag, Berlin 2011
ISBN: 3-929905-26-4
Price: EUR 14,90
Zu beziehen über den
Lichtig-Verlag oder den Buchhandel.
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