Schabbat ha Malka - Königin der Jontefftage
Nea
Weissberg-Bob lädt uns ein, an einer nostalgisch-beschwingten Schabbatfeier im
trauten Familienkreis teilzunehmen. Sie gibt eine behutsame Einführung und
erzählt in aller Ausführlichkeit von den Vorbereitungen (gleichzeitig fast ein
Kompendium der jüdischen Küche), vom Ablauf, von den religiösen Hintergründen,
beschreibt und erklärt die Rituale, bringt wichtige Texte (Segenssprüche, Gebete
und Lieder in Hebräisch mit lateinischen Buchstaben und parallel die deutsche
Übersetzung) und erklärt in einem ausführlichen Anmerkungsapparat alle
verwendeten hebräischen, jiddischen oder auch deutschen Begriffe, Ausdrücke und
Zusammenhänge - von Jonteff über Kiddusch bis Bessomimbüchse.
Wie bringe ich meinem Kind jüdische Werte näher, wenn ich selbst kaum
etwas darüber weiß, weil meine Eltern mir nichts erzählt und, ja, auch das gibt
es, nicht vorgelebt haben, was jüdisches Leben ist? Zumindest für den Schabbath
gibt es inzwischen eine schöne Lösung. Mit ihrer Erzählung Schabbath ha-Malka,
Königin der Jontefftage entführen die beiden Autorinnen Nea Weissberg-Bob und
Jalda Rebling in die nur scheinbar längst vergessene Welt jüdischer frommer
Bräuche. Es beginnt ganz profan mit dem Besuch der sieben Jahre alten Deborah
bei ihrer Großmutter. An einem Freitagnachmittag. Und es beginnt doch etwas
anders. Denn Deborah bringt ihrer Großmutter einen kleinen Blumenstrauß mit.
Keine Selbstverständlichkeit für eine Siebenjährige. Und auch der Empfang der
Großmutter für ihre Enkelin ist etwas anders. Denn wohlduftende Gerüche grüßen
bis an die Eingangstür und locken sie in die Küche: eine dampfende Hühnersuppe,
gefillte Fisch, gehackte Leber und die Lokschen, Nudeln, sind beinahe schon gar,
und es fehlen auch nicht ein Salat, ein Kugel, ein Auflauf, aus Kartoffeln und
Möhren sowie ein schmackhafter Lejkach, ein Kuchen. Dank Deborahs Hilfe ist der
Schabbath-Tisch schnell festlich gedeckt: Auf die weiße Tischdecke kommen weiße
Stoffservietten, das gute weiße Geschirr, Wasser- und Weingläser und auch das
bessere Besteck. Den Mittelpunkt bildet das Holzbrett mit den beiden Zopfbroten,
über die eine bunt bestickte Barches-Decke sowie ein Barches-Messer zum
Schneiden der Zöpfe kommt. Auf dem Tablett in der Tischmitte stehen zwei
silberne Kerzenleuchter. Eine Pause zum Verschnaufen. Der Tag neigt sich seinem
Ende zu. Bevor die Sonne vollends untergeht, bedeckt die Großmutter den Kopf mit
einem Seidentuch, nimmt die Streichhölzer in die Hand und zündet die
Schabbes-Kerzen an. Die Großmutter bedeckt die Augen und spricht den Segen über
die Kerzen, es folgt das stille Gedenken an die eigene Familie. Großmutter
segnet die Enkelin, und dann singen beide das Lied, um die einziehende
Schabbath-Königin zu begrüßen: Lechá Dodí likrát Kalá, „Auf mein Freund, der
Braut entgegen!“ Dann ist es vorbei mit der Stille. Der Großvater kommt aus der
Synagoge, Deborahs Eltern und ihre Freunde mit dem ebenfalls siebenjährigen Sohn
Jonathan treffen ein. Man nimmt Platz am Tisch, aber noch wird nicht gegessen.
Denn zuerst müssen die Engel und der Schabbath begrüßt werden. Alle stimmen in
die Melodie ein. Der Großvater sagt den Segen über den Wein, dann wäscht er sich
symbolisch die Hände. Er bricht das Brot, sagt den Segen darüber, bestreut es
mit Salz, und Deborah reicht das Körbchen mit den Brotstückchen herum. Sie
wünschen sich Schabbath Schalom! „Schabbath und Frieden!“ Jetzt darf gegessen
werden. Großvater erzählt, wie es war, damals, als er selbst noch ein Kind war
und mit seiner Familie in Polen lebte, wie es war, als sich die ganze Familie am
Freitagabend um den festlich gedeckten Tisch versammelte und wie sie die
traditionellen Melodien sangen und anschließend die traditionellen Speisen aßen
– beinahe so wie an diesem Abend, da Deborah mit ihren Eltern und Großeltern und
ihren Freunden am Schabbes-Tisch sitzen. Es ist spät geworden. Das Essen ist
aufgegessen, die Geschichten sind erzählt. Ein wunderschöner, friedlicher
Schabbath hat begonnen. Deborah geht mit den Eltern nach Hause. Ergänzt wird
diese einnehmende Schilderung durch eine zweite Erzählung über den Schabbath,
diesmal in den Worten eines siebenjährigen Mädchens: Denise Bendrien wünscht:
„Git Schabbes, Dvorale!“ Sie fasst sich wesentlich kürzer, trotzdem ist ihr
keiner der für den Schabbath-Beginn wichtigen Dinge entgangen, nicht die
einzelnen Speisen für den Schabbath, von denen Dvorale kosten darf, nicht das
Anzünden der Schabbes-Kerzen und auch nicht der Segen über den Wein noch der
Segen über die Challot. Glücklich liegt Deborah zum Schluss in ihrem Bett, den
Bauch voller guter Speisen und den Kopf voll mit den Schabbath-Melodien. Wie im
Traum hört sie noch den Segen ihrer Mutter: „Schlaf gut, mein Engel. Git
Schabbes, Dvorale!“ Eingeschoben zwischen die beiden Erzählungen ist ein
Nachwort von Rachel Herweg, die das Gelesene würdigt und einen Ausblick in die
jüdische Zukunft wagt. Dem folgt eine Transkription der hebräischen
Segenssprüche und Lieder und ihre deutsche Übersetzung. Ein ausführlicher
Glossar erklärt geduldig den einigen wohl unbekannten Wortschatz. Eingestreut in
beide Erzählungen sind zum einen Vignetten der Künstlerin Anna Adam und
Abbildungen von Ritualgegenständen, die die Künstlerin Veronika Urban eigens für
das Buch fotografiert hat. Beide veranschaulichen den Ablauf der Schabbath-Feier
am Familientisch. Eine ansprechende Kleinigkeit fällt ins Auge: Wo immer im Text
von Licht die Rede ist, steht eine kleine bewegte Flamme über dem Buchstaben
„i“. Das erinnert an die Krönchen, mit denen einige Buchstaben in dem ansonsten
strikt schmucklosen Text der Thora verziert sind. Eine schöne, eine gelungene
Einführung in das Thema jüdische Feiertage und wie man sie begeht. Denn die
Bräuche sind nur scheinbar vergessen, Deborah und andere lernen sie wieder und
geben sie hoffentlich weiter.
Herausgegeben von Nea Weissberg
Lichtig-Verlag, Berlin 2010
Hardcover, bibliophile Ausgabe, handgebunden
ISBN: 3-929905-24-8
Preis: EUR 14,90
Zu beziehen über den
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